RWE-Tagebuch, Tag 6

Spaß am Freitag

Wenngleich ich den Testkick gegen Karlsruhe ein wenig überschwänglich angeteasert habe: Nicht nur als Kontrastprogramm zum Trainingseinerlei machte er tatsächlich Laune. In diesem - man kann es nur immer wieder betonen - hochgradig kuriosen Irrgarten aus mondänen Golfplätzen und Hotelanlagen mit eigener Postleitzahl tun sich alle 100 Meter Plätze auf, auf denen Gott und die Fußballwelt ihr Leistungsvermögen testen. So hatte ich Sack und Pack schon aus der Karre geklaubt, um alsdann den Unterschied zwischen Rot-Weiß und Rot-Weiss einzusehen. War offenbar reichlich naiv, eine Mannschaft gleicher Farbe und Sportart auf derselben Hotelanlage als die gesuchte auszumachen. Wahrscheinlich testeten im Umkreis von fünf Kilometern noch zeitgleich fünf andere rot-weiß gewandete Gummi-Vereine.

Wie ich wenig später von der immer erklecklicheren Zahl mitgereister Menschen aus der Heimat erfuhr, war ich nicht der einzige, der diesem Irrtum aufgesessen war und sich auf ein anderes der 1.235 Freundschaftsspiele des Tages verirrt hatte. Mal im Ernst! Wer als Fußballjunkie in der Winterpause einen ganz schlimmen Affen schiebt: Ab in den Flieger! Hier kriegste alles - und dazu noch für umme.

Ähnliches Ansinnen verfolgten wohl auch die zahlreichen KSC-Fans, die die Anlage bevölkerten, mit Zaunfahnen schmückten und zur Halbzeit sogar mit einer Pyroshow für Aufsehen sorgten. Wieder mal eine irgendwie befremdliche Szenerie. Während wenige Kilometer weiter Hühner und Ziegen zwischen Ruinen rumlungern, bei denen man sich nie sicher sein kann, ob dort nun ein weiterer Touri-Pavillon gebaut oder gerade eine Häuserzeile abgerissen wird, tauchen hier plötzlich sogar Ultras auf - wie zuhause ausgeschnitten und hier per Mausklick wieder eingefügt.

Es war also ordentlich was gebacken. Und RWE hat in Karlsruhe gleich eine ganze Reihe neuer Sympathisanten gewonnen. Dass sich in die Reihe junger Damen hinter der RWE-Bank ein amerikanischer Ex-GI mit Videokamera und ein Hertha-geoutfitteter, sprechender Schnoppes mit breitester Berliner Schnauze mischten - man hört hier ganz schnell auf, sich zu wundern.

Passend dazu haute der Lorenz alles raus, was im Januar so drin ist. Schien allen Spaß zu machen. Auch Waldemar Wrobel, der 90 Minuten schreihalsig durchcoachte und die KSC-Fans dabei bestens unterhielt. "Wenn der hier so durch geht, müssen wir auch mal 'Guten Tag' sagen!", "Der Schiedsrichter ist doch Comedy. Den kann man doch für Geld zeigen, oder?" Sorry, Waldi! Ich denke, er wird hier nicht mitlesen. Als dann Markus Heppke im Vollsprint eine Flanke absetzte, dabei ins Seitenaus stolperte, sich an einem Fan festhielt und keuchend anbot: "Willst Du für mich rein?!" mussten die Karlsruher plötzlich beinahe grübeln, für wen sie nun sein sollten. Wrobel vergewisserte sich sendungsbewusst: "Sympathische Truppe, oder?!" "Wenn wir jetzt auch noch Fußball spielen könnten..."

Das war natürlich kokett. Seine Mannschaft spielte mehr als ordentlich gegen den Zweitligisten. Und entsprechend dürfte die Stimmung beim nachmittaglichen Ausflug ins nahegelegene Antalya, was in etwa sowas wie eine echte Stadt mit richtigen Menschen sein soll, von denen einige sogar ein paar Brocken Türkisch drauf haben, ganz ordentlich gewesen sein. Derweil genieße ich nahezu erstmals die komplette Germanisierung der Hotelanlage. Es hat hier RTL! Ich bin ja für den Wendler - und für heute raus.